Ersatz der Schliessanlage nach Diebstahl

Ein Diebstahl in einer Immobilie ist nicht nur unangenehm, sondern verunsichert oftmals die gesamte Mieterschaft. Insbesondere wenn ein gestohlener Schlüssel mehrere Funktionen aufweist, kann dies die Sicherheit einer Liegenschaft beeinflussen. Doch müssen Vermieter*innen in solche einer Situation alle Schliessanlagen ersetzen?
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Ausgangslage

Im Kanton Solothurn ereignete sich vom 16. auf den 17. April 2016 ein Einbruch in der Hochparterre-Wohnung von Mieter A. Nach diesem Ereignis liess die Verwaltung einen Monat später das entsprechende Wohnungsschloss ersetzen. Allerdings haben die Einbrecher den gesamten Schlüssel von Mieter A. entwendet. Deshalb fürchtet sich Mieter B., um die Sicherheit der weiteren Räume der Liegenschaft, welche bis anhin einen hohen Sicherheitsstandard aufwies. Infolgedessen verlangte der Mieter B von der Vermieterin, dass diese die Schliessanlage zu den allgemeinen Räumen ebenfalls anpasst. Am 09. Januar 2017 erhob der Mieter B. schliesslich Klare vor dem Richteramt Solothurn-Lebern.

Muss die Vermieterin die gesamte Schliessanlage austauschen?

Nach dem oben erwähnten Diebstahl, bemängelte Mieter B. die Sicherheit der allgemeinen Räumen und bat die Vermieterin die Schliessanlagen zu ersetzen. Die Vermieterin sah diese Sicherheit allerdings nicht gefährdet, weshalb Sie auf einen Austausch verzichtete. Doch ist die Vermieterin im Recht?

1. Punkt – Mangel an der Mietsache

Um diese Frage zu beantworten, muss das Thema “Mangel an der Mietsache” etwas genauer beleuchtet werden.

Laut Art. 256. Abs. 1 OR ist der Vermieter verpflichtet, die Sache zum vereinbarten Zeitpunkt in einem zum vorausgesetzten Gebrauch tauglichen Zustand zu übergeben und in demselben zu erhalten. Entstehen an der Sache Mängel, die der Mieter weder zu verantworten noch auf eigene Kosten zu beseitigen hat, oder wird der Mieter im vertragsgemässen Gebrauch der Sache gestört, so kann er verlangen, dass der Vermieter

  • a) den Mangel beseitigt
  • b) den Mietzins verhältnismässig herabsetzt
  • c) Schadenersatz leistet
  • d) den Rechtsstreit mit einem Dritten übernimmt (Art. 259a Abs. 1 OR).

Des Weiteren beinhaltet der Art. 256 OR, dass die Hauptpflicht eines Vermieter, die Sache dem Mieter zum vertragsgemässen Gebrauch zu überlassen. Was dieser vertragsgemässe Gebrauch beinhaltet, wird vertraglich geregelt.

Wichtig ist es zu erwähnen, dass ein Mietobjekt nur zum vertragsgemässen Gebrauch taugt, wenn all seine Bestandteile funktionieren und die Benützung keine Gefahr für Leib und Leben schafft.

Ebenfalls gehört zur Instandhaltung durch den Vermieter auch der Schutz vor Störungen (Unterlassung von Eingriffen, Abwehr von Störungen Dritter) (zum Ganzen: BSK OR I – Roger Weber, Art. 256 N 1 und 3 f.).

Sobald der vorausgesetzte Gebrauch nicht mer gewährleistet werden kann, ist eine Mietsache als mangelhaft einzustufen.

Schlüssel ersetzen nach einem Einbruch - Ist das notwendig?

1.1 Drei Arten von Mängel

Des Weiteren unterscheidet das Schweizerische Gesetz drei Arten von Mängel.

Schwerwiegende Mängel: Mängel, welche den Gebrauch der Sache ausschliessen oder erheblich beeinträchtigen. (Art. 258 Abs. 1 und Art. 259b lit. a OR)

Dazu gehören Mängel, welche die Gesundheit der Mieter*innen gefährden oder die vorausgesetzte Nutzung der Mietsache oder wesentliche Teil für eine gewisse Zeit nicht gewährleisten. Die Dauer der Beeinträchtigung sowie die Reperaturkosten sind bei schwerwiegenden Mängel relevant für deren Beurteilung.

Mittlere Mängel: Mängel, welche die Tauglichkeit der Sache höchstens vermindern, aber nicht erheblich beeinträchtigen (Art. 258 Abs. 3 lit. a, Art. 259b lit. b und Art. 259d OR)

Diese Mängel können weder durch kleinere Ausbesserungen oder Reinigungen behoben werden noch sind diese als schwerwiegend einzustufen. (zum Ganzen: BSK OR I – Roger Weber, Art. 258 N 1 f.).

Kleinere Mängel: Mängel, welche durch kleine Ausbesserungen oder sogar nur durch Reinigung behoben werden können. (zum Ganzen: BSK OR I – Roger Weber, Art. 258 N 1 f.) Diese sind auf Kosten des Mieters zu beseitigen. (Art. 259 OR)

Zusammengefasst: Die Mängelrechte von Mieter*innen entstehen folglich bei mittleren sowie bei schwerwiegenden Mängel des Mietobjektes.

1.2 Mängel beheben

Sobald Vermieter*innen von einem gemäss Art. 259a OR zu behebenden Mangel vom Mieter oder auf anderem Weg Kenntnis erhält, müssen Vermieter*innen diesen innerhalb einer angemessenen Frist beseitigen, soweit nicht das gesetzliche Selbsthilferecht des Mieters gemäss Art. 259b lit. b OR für mittlere Mängel eingreift. Überdies hinaus muss der Mieter die Mängel, welche er nicht selber zu beseitigen hat, dem Vermieter melden (Art. 257g Abs. 1 OR).

Ab dem Zeitpunkt, in dem Vermieter*innen Kenntnis(auch Hilfspersonal wie die Hauswartung) vom Mangel haben, besteht die Pflicht diesen zu beheben. Ist die Beseitigung objektiv betrachtet nicht zumutbar, entfällt diese Pflicht.(zum Ganzen: BSK OR I – Roger Weber, Art. 259b N 2; Mietrecht für die Praxis, 2016, S. 216 ff. und 242 f.).

Um den Beseitigungsanspruch geltend zu machen, muss der vertragsgemässe Gebrauch der Mietwohnung definiert werden. Laut Mietvertrag des Mieters B. dient die Mietwohnung primär zum Aufenthalt des Mieters. Die Wohnung gibt dem Mieter als Komfort und Sicherheit.

2. Punkt – Ist die Mietsache noch sicher?

Der Mieter B. fordert den Austausch der Schliessanlage der gemeinschaftlichen Nebenräume wie der Keller, Fahrradraum etc. Dies aufgrund dessen, da der Sicherheitsaspekt nicht mehr erfüllt wird. Im Mietvertrag der beiden Parteien wurde der Bestimmungszweck des Mietobjektes einer Wohnung vereinbart. Diese gibt dem Mieter Komfort und Sicherheit. Laut dem Mieter B. sind diese zwei Aspekte nun nicht mehr gegeben. Das subjektive Empfinden spielt hier allerdings keine Rolle. Deshalb wurde geprüft, ob die Sicherheit des Mieters B. tatsächlich in signifikanter Weise beeinträchtigt wurde, sodass rechtlich gesehen von einem Mangel gesprochen werden konnte.

2.1 Schlüssel gestohlen oder verloren?

Laut dem Mieter B. wurde der Schlüssel vom Mieter A. beim Einbruch entwendet. In diesem Zusammenhang musste bewiesen werden, dass der Schlüssel tatsächlich gestohlen wurde oder bloss verloren ging. Diese Unterscheidung ist massgebend dafür, da bei einem Verlust der Finder damit grundsätzlich nichts anfangen kann, da dieser keine Kenntnisse darüber besitzt, zu welcher Liegenschaft dieser gehört.

Wurde der Schlüssel allerdings gestohlen, weiss der Dieb, zu welcher Wohnung bzw. zu welchem Mietobjekt der Schlüssel gehört. In diesem Fall ist von einer  Beeinträchtigung der Sicherheit auszugehen.

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2.2 Polizeirapport

Um zu ermitteln, ob es sich um einen Verlust oder Diebstahl handelt, hat das Gericht die Strafanzeige der Polizei Kanton Solothurn vom 8. Mai 2016 zurate gezogen. Darin kann entnommen werden, dass der Täter mittels Einschlagen der Scheibe durch den Balkon in das Objekt eingedrungen ist. Nach dem Delikt ist der Täter mittels in der Wohnung aufgefundenem Zweitschlüssel durch die Eingangstür geflohen. Aufgrund des Umstandes, dass die Polizei nur DNA-Spur am Aussenbereich der Balkontüre vorgefunden hat, ist leider zu wenig aussagekräftig, um die oben erwähnte Ausgangslage zu bestätigen. Allerdings befand sich der Mieter A. vor dem Einbruch auf einer eintägigen Reise. Während der Abwesenheit hat dieser die Wohnung von Aussen abgeschlossen, sodass im Innern des Mietobjektes kein Schlüssel gesteckt hat. Bei der Rückkehr des Mieters war die Wohnungstür allerdings nicht mehr verschlossen. Folglich muss der Täter mithilfe des Zweitschlüssen die Wohnung verlassen haben.

Des Weiteren musste das Gericht klären, ob der Täter den Schlüssel mitgenommen hatte oder dieser aufgefunden wurde. Laut der vorhandenen Akten sind diesbezüglich keine Informationen zu finden. Ausserdem hat der Mieter A. am 23.12.2016 schriftlich bestätigt, dass der Zweitschlüssel bis dahin nicht aufgefunden wurde.

Da ein Schlüssel nahezu keinen Wert hat, war der Mieter A. auch nicht verpflichtet, den Schlüssel als Deliktsgut zu melden.

2.3 Schliessanlage Mietwohnung

Aufgrund des Einbruches hat die Vermieter den Schliesszylinder bei der Wohnung des Mieters A. austauschen lassen. Aufgrund dessen drängte sich der Verdacht zusätzlich auf, dass der Schlüssel gestohlen wurde. Dies ist ein weiterer Punkt, welcher eine zukünftige unbefugte Nutzung des gestohlenen Schlüssels nahelegt.

3. Punkt – Zweitschlüssel gestohlen wurde bewiesen

Aufgrund dieser Sachlage ist es dem Mieter B. schlussendlich vor Gericht gelungen zu beweisen, dass der Zweitschlüssel tatsächlich beim Einbruch gestohlen wurde. Es ist davon auszugehen, dass der Täter im Besitz des Schlüssel ist und weiss, dass dieser zu dieser Liegenschaft gehört.

Gemäss der Liegenschaftsverwalter lassen sich sowohl die Haupteingangstüre sowie die der beiden Kellerzugänge mit diesem Schlüssel öffnen. Deshalb lässt sich kein unerhebliches Risiko ausschliessen. Ebenfalls ist aufgrund dessen, dass dieser Schlüssel sowohl durch die Eingangstüre als auch durch die beiden Kellertüren Einlass zur Liegenschaft gewährt, von einem schwerwiegenden Mangel zu sprechen, da ein Mieter einen sicheren Zugang zu erwarten hat. Dieser Mangel wird laut Mieter B. zusätzlich verstärkt, weil dessen sich im 3. Stock befindliche Wohnung von einem Einbrecher nur über den Haupteingang und die beiden Kellereingänge erreichbar ist. Da die Kellerräume, welche nur aus Lattenverschläge bestehen, ebenfalls mithilfe dieses Schlüssels erreichbar sind, ist die mangelnde Sicherheit auch aus objektiver Sicht weiter zu bestätigen.

4. Punkt – Argumentation Vermieterin

Die Vermieterin sieht den Mangel nicht als gegeben und begründet dies mit dem nicht mehr Vorhandensein des Schlüssels. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieser nicht mehr genutzt werde. Zudem macht die Liegenschaftsverwalterin die Aussage, dass bis zum Tag der Verhandlung keine weiteren Einbrüche gemeldet worden seien und deshalb keine Risiko mehr bestehe. Des Weiteren argumentiert diese, dass der Mieter A. in den vergangenen Jahren bereits drei weitere Schlüsselverluste gemeldet hatte. Diese wurde allerdings stets als Verlust gemeldet und stellten somit einen anderen Sachverhalt dar, als wenn diese gestohlen worden wären.

Allerdings bringen diese Argumenten keine Veränderung. Denn es konnte im Laufe der Verhandlung bewiesen werden, dass der Schlüssel nicht verloren, sondern gestohlen wurde.

Die Sicherheitsabnahme ist bei einem Diebstahl eines Schlüssels – in der entsprechenden Wohnung – somit beträchtlich grösser als bei einem Schlüsselverlust.

5. Punkt – Ist der Austausch der Schliessanlage verhältnissmässig?

Dass ein schwerwiegender Mangel vorliegt, wurde bereits bewiesen. Ob der Austausch der gesamten Schliessanlage verhältnissgemäss ist, ist nun noch zu prüfen.

Die Vermieterin muss beweisen, dass eine Unverhältnismässigkeit bezüglich Auswechseln der Schliessanlage besteht. Weil die Vermieterin keinen Nachweis erbringen konnte, dass die Kosten höher als 1000 CHF ausfallen werden und den Mietern ausserdem kein zusätzlicher Schlüssel abgegeben werden würde, müssen die bisherigen Schlüssel weiterhin benützt werden, wobei man mit dem gestohlenen Schlüssel keinen Zugang zur Liegenschaft mehr haben wird, ist die Verhältnismässigkeit der Beseitigung des Mangels zu bejahen.

Fazit

Der Antrag des Mieters B. ist gerechtfertigt. Es besteht ein schwerwiegender Mangel, welcher die Vermieterin beheben muss, um den Sicherheitsstandard der Immobilie wieder herstellen zu können. Des Weiteren ist diese verpflichtet, den Zugang zu den allgemeinen Räumlichkeiten der Liegenschaft mithilfe des gestohlenen Schlüssels zu verhindern. Somit ist die Klage gutzuheissen.

Quellen: Datenbank Gerichtsentscheide Schweiz BWO Admin

Gerichtsurteil

Artikel: Art. 259 ff. OR

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